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Der Rechtsstaat wird mitabgeschoben

Der Rechtsstaat wird mitabgeschoben
Karlsruhe pocht bei Festnahmen rund um Abschiebungen auf Kontrolle durch Gerichte - zu Recht. Menschen in Abschiebungshaft mögen kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, sie sind dennoch Menschen mit Rechten. 

"Die Freiheit der Person ist unverletzlich." Ein Satz im klassischen Sound des Grundgesetzes. Und er klingt auch deshalb so gut, weil weiter hinten im Grundgesetz ein weiterer Satz steht: "Über die Zulässigkeit einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden." Die Freiheit braucht unabhängige Richterinnen und Richter. Soll jemand vom Staat festgenommen werden, müssen die darüber entscheiden.
Es klingt selbstverständlich, dass ein Richter kontrollieren muss, wenn der Staat tief in die Freiheit eingreift und jemanden festnimmt. Zum Glück klingt das heute selbstverständlich. Denn Deutschland ist das Land, in dem einmal der schrecklichste Unrechtsstaat der Moderne wütete. Doch diese rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit gilt nicht für alle Menschen hierzulande. Oft nämlich nicht für die, die in Abschiebungshaft genommen werden.

Rechtsstaatliche Mängel bei der Abschiebungshaft

Die heutigen Beschlüsse aus Karlsruhe lenken den Blick auf einen Alltag, von dem wenige mitbekommen, dass es hier um den Rechtsstaat schlecht bestellt ist. Anwälte berichten, dass bei Abschiebungen immer wieder ohne Richterbeschluss festgenommen wird. Und sie berichten noch mehr. Es gibt zwar keine offiziellen Zahlen zur Abschiebungshaft. Aber die Zahlen, die es gibt, weisen darauf hin, dass bis zu 50 Prozent der Inhaftierten zu Unrecht in Abschiebungshaft sitzen - mitunter für mehrere Wochen. Wahrscheinlich gibt es kaum ein Rechtsgebiet, in dem Gerichte Behördenhandeln so oft als rechtswidrig beanstanden müssen.
Wohlgemerkt: Es geht hier nicht darum, ob man für mehr oder weniger Abschiebungen ist, ob man die Regeln zur Abschiebungshaft verschärfen will oder nicht. Hier geht es um den Rechtsstaat, in dem der Zweck nie die Mittel heiligt. Und das heißt, wenn jemand in Gewahrsam genommen wird, muss vorher ein Richter entscheiden. Und wenn nicht vorher, dann so schnell wie möglich. Hier kann eine Behörde nicht einfach sagen: Wir erreichen am Freitagnachmittag um 15 Uhr keinen mehr. Karlsruhe betont: Für krasse Maßnahmen wie Festnahmen muss ein Richter auch spät abends erreichbar sein.
Rechtsstaatliche Standards sind unter Druck bei Abschiebungshaft. Und gerade jetzt soll der Rechtsschutz noch weiter beschnitten werden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will auch den Pflichtanwalt für Abschiebungshaftfälle abschaffen, dort, wo Anwältinnen und Anwälte offenkundig am dringendsten gebraucht werden, weil sich die Behörden immer weniger um das Recht scheren.

Ein Zeichen für rechtsstaatliche Kontrolle

Karlsruhe hingegen pocht auf die Kontrolle durch Gerichte. Wieder einmal. Und wieder einmal ist die Frage, wen das überhaupt juckt. Es geht ja um Abschiebungen. Und die hat nicht nur die rechtsextreme AfD, sondern auch die CDU von Friedrich Merz zum Allheilmittel erkoren. Nach dem Motto: Wir machen die Schwächsten zu Sündenböcken für unsere sozialen Probleme und Ängste. Menschen aus allen Teilen der Welt, die in Abschiebungshaft sitzen, sind für die deutsche Politik oft nur noch solche Sündenböcke.
Und wohlgemerkt, diese Menschen haben in der Regel keine Straftaten begangen. Die Haft ist keine Strafe, sondern eine Verwaltungsmaßnahme, die eine andere Verwaltungsmaßnahme - nämlich die Abschiebung - absichern soll.
Menschen in Abschiebungshaft mögen kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, sie sind dennoch Menschen mit Rechten. Der Staat, der auf sie zugreift, hat einen harten Griff. Also muss eine Richterin diesen Zugriff kontrollieren, also muss ein Anwalt diese Kontrolle begleiten. Die Politik von Merz, Dobrindt und Co. greift diese Selbstverständlichkeiten an. Der Rechtsstaat wird so mitabgeschoben.
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