Julian Nagelsmann hat vor den WM-Qualifikationsspielen gegen Luxemburg und Nordirland weiter mit Ausfällen zu kämpfen. Das bewahrt ihn aber nicht vor den lauter werdenden Diskussionen um seine Kaderpolitik.
Zu den vielen Spielern, die einen besonderen Platz in der Länderspiel-Geschichte des DFB haben, gehört auch Zoltan Sebescen. Der heute 50 Jahre alte Schwabe hat Anfang der 2000er in der Fußball-Bundesliga eine mehr als solide Karriere hingelegt, mit insgesamt 72 Einsätzen für Wolfsburg und Leverkusen, mit der Werkself stand er 2002 sogar im Finale der Champions League gegen Real Madrid. In Erinnerung geblieben ist aber vor allem sein Debüt im Trikot der Nationalmannschaft. Der damalige Bundestrainer Erich Ribbeck, berüchtigt für überraschende Entscheidungen, hatte Sebescen im Februar 2000 für das Auswärtsspiel gegen die Niederlande aufgeboten und als Rechtsverteidiger in die Startelf gestellt. Dort erlebte Sebescen gegen "Oranjes" Flügelflitzer Boudewijn Zenden einen persönlichen Albtraum, wurde nach zwei Gegentreffern über seine Seite zur Pause ausgewechselt - und danach nie mehr beim DFB-Team gesehen.
Kader-Rochaden beim DFB-Team - auch gegen Luxemburg und Nordirland
Seitdem steht der Name Sebescen, zumindest beim älteren Teil des deutschen Fußball-Publikums, stellvertretend für missglückte Kader-Experimente von Bundestrainern. Die "Süddeutsche Zeitung" fühlte sich nun sogar wieder explizit an die Episode mit Sebescen erinnert, als sie die Nominierungspolitik von Julian Nagelsmann vor den anstehenden WM-Qualifikationsspielen gegen Luxemburg und in Nordirland kommentierte - und zum Schluss kam: "Der Bundestrainer gibt Rätsel auf."
Player: videoLivestream - WM-Qualifikation: Deutschland gegen Luxemburg
Acht Monate vor der Weltmeisterschaft scheint die Debatte um Nagelsmanns WM-Kader in vollem Gange. Die Zeit für Experimente müsse "endlich vorbei sein", forderte Lothar Matthäus in seiner "Sport Bild"-Kolumne, "in Sachen Taktik wie auch beim Personal". Als ob der Bundestrainer den Experten Matthäus ärgern wollte, wurde am Dienstagabend bekannt, dass Kevin Schade für die zwei anstehenden Länderspiele nachnominiert wird. Der Flügelspieler aus Brentford wurde zuletzt vor einem Jahr ins Nationalteam berufen, mit vier Länderspiel-Einsätzen gehört auch er eher in die Abteilung "Experimente".
Auch zurückhaltendere Naturen wie Matthias Sammer äußerten sich zuletzt merklich gereizt zum Thema Kaderentscheidungen: "Wenn wir es uns leisten können, auf die Besten zu verzichten, dann sollten wir nicht den WM-Titel als Ziel ausgeben", sagte Sammer in einer "Sky"-Runde.
Diskussionen um Mittelstädt - und andere Nicht-Nominerungen
Trotz, oder womöglich auch wegen der zahleichen Ausfälle im Kader, wird vor dem Spiel gegen Luxemburg am Freitag (20.45 Uhr, Livestream und Audiostream) vor allem darüber diskutiert, wen Nagelsmann diesmal nicht nominiert hat: Maximilian Mittelstädt zum Beispiel, der sich seit seiner ersten Berufung im März 2024 auf der linken Abwehrseite eigentlich zu einer verlässlichen Größe im DFB-Team entwickelt hat. Jetzt fehlt er im Aufgebot, was auch in Stuttgart für Verwunderung sorgte. Nagelsmann berief stattdessen Nathaniel Brown. Achtung: einen Debütanten. Der Bundestrainer hält große Stücke auf den 22 Jahre alten Frankfurter, der im September noch wegen einer Verletzung kurzfristig hatte passen müssen.
Collins schon wieder weg, Ridle Baku mit Comeback
Nicht mehr berücksichtigt wurde dafür Browns Teamkollege Nnamdi Collins: Frankfurts Youngster debütierte ausgerechnet beim komplett vergurkten Quali-Auftakt gegen die Slowakei und machte eine unglückliche Figur, wenn auch beileibe nicht als Einziger im DFB-Dress. Für die Oktober-Spiele bekam er nun keine zweite Berufung mehr - dafür erhält auf einmal Ridle Baku eine neue Chance auf der rechten Abwehrseite. Der Leipziger war zuletzt im November 2021 im DFB-Dress im Einsatz, er dürfte wohl auch davon profitieren, dass Joshua Kimmich bei Nagelsmann ins defensive Mittelfeld rückt. Nagelsmanns Rochaden im Kader werden zunehmend kritisch beobachtet. Seit der alarmierenden 0:2-Niederlage gegen die Slowakei hat sich die Wahrnehmung um das DFB-Team geändert. Das Fachmagazin "kicker" sah die Nationalmannschaft "gefährlich nah am Tiefpunkt".
Musiala, Undav, Havertz, Rüdiger - DFB-Team weiter mit vielen Ausfällen
Das Problem ist aber auch, dass Nagelsmann nur die Spieler berufen kann, die ihm zur Verfügung stehen. Die Liste an Ausfällen ist lang, auch geschuldet der zunehmenden Belastung: Der irrsinnigen Klub-WM im Sommer fiel zuletzt Jamal Musiala zum Opfer. Vor allem in der Offensive sind die Optionen für Nagelsmann dünn: Neben Schlüsselspieler Musiala fehlen auch weiterhin Kai Havertz, Deniz Undav und Tim Kleindienst verletzt. Florian Wirtz sucht nach seinem Wechsel nach Liverpool noch nach Orientierung. Im Sturmzentrum ist Niclas Füllkrug, der bei der Heim-EM 2024 noch als unverzichtbar galt, erst einmal durchs Raster gefallen, er bekommt bei West Ham kaum mehr Spielpraxis.
Hoffnungsträger Woltemade gegen Luxemburg und Nordirland dabei
Dafür ist Nick Woltemade bei den anstehenden Länderspielen dabei, nach einem Infekt soll Woltemade am Donnerstag zum DFB-Team stoßen. Der Stürmer hat in Newcastle einen Superstart hingelegt und ist als Sturmspitze absolut gesetzt. Daran dürften sicher auch die zahlreichen TV-Experten nichts auszusetzen haben.
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