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Wie kleine Krankenhäuser ums Überleben kämpfen

Wie kleine Krankenhäuser ums Überleben kämpfen
Die Krankenhausreform verändert die Kliniklandschaft in Deutschland. Vor allem kleinere Häuser stehen unter Druck. Doch nicht nur die Reformen sind schuld. In Boppard am Rhein zeigt sich, was das bedeutet. 

Von der Stadtverwaltung bis zum Krankenhaus in Boppard sind es nur fünf Minuten. So wie alles hier nah beieinander liegt: der Bahnhof, die Altstadt, die Bootsanleger für die Touristenschiffe. In Boppard sind die Wege kurz - noch. Doch in Zukunft könnte es ein weiter Weg bis zum nächsten Krankenhaus sein.
Das örtliche Krankenhaus der 16.000-Einwohner-Stadt, rund 20 Kilometer südlich von Koblenz, steht vor der Schließung. Seit Jahren steckt die Klinik in finanzieller Schieflage, nun droht das Aus.
"Die Stadt Boppard ist nicht Betreiber des hiesigen Krankenhauses, aber wir tragen die Folgen einer möglichen Schließung unmittelbar", sagt der Bopparder Bürgermeister Jörg Haseneier. "Wir brauchen eine verlässliche stationäre Versorgung und mir täte es sehr leid, wenn diese Einrichtung verloren ginge."

Kleinere Krankenhäuser stehen vor finanziellen Problemen

Seit dem Mittelalter gibt es das Krankenhaus Heilig Geist, seit elf Jahren gehört es zu einem überwiegend kommunalen Klinikverbund. Es ist eines von vielen kleineren Häusern in Rheinland-Pfalz, die wirtschaftlich kaum noch bestehen können. Erst Anfang des Jahres hatte etwa das Deutsche Rote Kreuz angekündigt, sich insgesamt aus zehn Kliniken in Rheinland-Pfalz zurückzuziehen. 
Deutschlandweit ist die Situation vor allem für kleinere Krankenhäuser angespannt. Nach dem jüngsten Krankenhaus-Rating-Report des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung schrieben zuletzt deutschlandweit 43 Prozent der Kliniken Verluste. 16 Prozent der Häuser waren demnach akut von Insolvenz bedroht.
Finanziert haben sich die Häuser bislang überwiegend über Fallpauschalen: einen festen Betrag pro Behandlung. Die noch von der Ampel-Regierung auf den Weg gebrachte Krankenhausreform sollte diesen finanziellen Druck nehmen. Nach dem neuen Gesetz sollen die Fallpauschalen nur noch 40 Prozent ausmachen, den Rest sollen die Kliniken dafür bekommen, dass sie bestimmte Leistungen vorhalten, beispielsweise eine Notaufnahme.

Krankenhausschließungen könnten zunehmen

Trotzdem könnte es Schließungen wie in Boppard künftig immer öfter geben. Der Gesundheitsökonom Boris Augurzky vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung rechnet damit, dass die Reform die Zahl der Kliniken weiter reduzieren wird. Schon jetzt könne man das erkennen: "Dieser Trend zur Zentralisierung hat mit der wachsenden Personalknappheit und mit der zunehmenden Spezialisierung der Medizin zu tun."
Mit der Reform werde diese Entwicklung zwar noch weiter zunehmen, doch sei sie nicht allein dafür verantwortlich, so Augurzky. "Wo sie früher einen breit aufgestellten ärztlichen Generalisten einstellen konnten, brauchen sie heute vielleicht drei Spezialisten, um das ganze Spektrum abzudecken."
Vor allem kleinere Häuser könnten sich das oftmals nicht leisten. "Wenn eine Abteilung der Geburtshilfe 350 Geburten im Jahr hat, also im Durchschnitt etwa eine Geburt pro Tag, muss dafür trotzdem nahezu das komplette Geburtsteam anwesend sein und auf diese eine Geburt pro Tag warten. Es entsteht ein großer Leerlauf von teurem und knappem Personal." Dies sei bei großen Geburtsstationen anders. Die Folge: eine Zentralisierung der Kliniken und längere Anfahrtszeiten für die Patienten.

Patientenschützer kritisieren Reform

Für viele sei das unzumutbar, warnt Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz. "Für immobile und hochbetagte Menschen vor allem auf dem Land besteht nun die Gefahr, lange und beschwerliche Wege zum nächsten Krankenhaus in Kauf nehmen zu müssen", so Brysch. Eine Reform sei zwar nötig, doch die aktuelle Gesetzgebung messe die Qualität der Behandlung nicht am Behandlungserfolg: "Die Therapie endet nicht bei der Entlassung. Vielmehr ist es notwendig, die Patientinnen und Patienten auch noch nach einer Woche, einem Monat und einem Jahr im Blick zu behalten", sagt Brysch. Lange Wege könnten das verhindern.
In Boppard ist es nicht das erste Mal, dass die Finanzierung des Krankenhauses auf der Kippe steht. Seit Jahren streitet sich der Träger mit dem Rhein-Hunsrück-Kreis, in dem das Krankenhaus steht. Es geht um die Frage, wer die Kosten für das Defizit trägt. Der Träger verlangt vom Kreis den größten Anteil zu übernehmen, der Kreis hingegen sieht die Verantwortung beim Träger.

Alternativen zu defizitären Krankenhäusern wichtig

Gesundheitsökonom Augurzky fordert, für die Gesundheitsversorgung auch Alternativen zu Krankenhäusern zu prüfen, etwa Bereitschaftsdienste per Videosprechstunde. "Manchmal kann auch ein Helikopter die bessere Alternative sein als ein defizitäres Krankenhaus, das den Landkreis vielleicht fünf Millionen Euro im Jahr kostet." Wichtig sei es vor allem, für Notfälle Lösungen zu finden. "Planbare Fälle kriegt man dagegen immer auch in größerer Entfernung versorgt."
Für die Menschen in der Kleinstadt bleibt die drohende Schließung dennoch ein zentrales Thema. "Es kann nicht sein, dass hier die Leute dann hängengelassen werden", sagt eine Anwohnerin in der Innenstadt. Ein anderer ergänzt: "Man muss auch die Geschäfte bedenken. Das hängt ja alles mit da dran." Ob Floristin in der Altstadt oder Taxifahrer am Bahnhof - viele profitieren wirtschaftlich vom Krankenhaus.
Noch gibt es Hoffnung, dass der Kreis finanziell einspringt. "Der Kampf lohnt sich", sagt die Betriebsratsvorsitzende Bärbel Friedrich. Schon einmal haben sie die Pleite abwenden können. Nun hoffen sie in Boppard, dass es auch ein zweites Mal gelingt.

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