< Bürgerbeteiligung kann Windkraft pushen » Informationsagentur. "HAMSINF"

Bürgerbeteiligung kann Windkraft pushen

Bürgerbeteiligung kann Windkraft pushen
Deutschland will seine Stromproduktion bis 2045 möglichst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Dazu braucht es mehr Windkraft und Solarenergie. Helfen könnten finanzielle Anreize für Gemeinden und Anwohner. 

Wenn Christian Schultz aus Heidenrod im Rheingau-Taunus-Kreis nach draußen schaut, dann sieht er nicht nur eine Kinderschaukel und ein paar Hühner, die sich die Familie im Garten hält. Etwa einen Kilometer entfernt kreisen auch die Flügel der Windräder über den Baumwipfeln des Taunuskamms. Ihn stört der Anblick nicht, es sei für ihn "ein Teil der Moderne“ und gebe der Landschaft auch eine "besondere Bedeutung“.
Für den Dreifach-Vater bedeutet der Windpark aber auch indirekt eine finanzielle Entlastung. Die Kita-Gebühren werden nämlich durch die Einnahmen des Windparks querfinanziert: "Wir Heidenroder profitieren davon“, so Schultz.

Windpark gegen Rekordverschuldung

Heidenrod hatte vor rund zwölf Jahren noch 44 Millionen Euro Schulden, die Finanzlage war desaströs für die 8.000-Einwohner-Gemeinde, erzählt Bürgermeister Volker Diefenbach (SPD). Gleichzeitig beobachtete der gelernte Förster, dass es dem Wald nicht gut ging, rund zehn Prozent der Fläche seien mittlerweile abgestorben: Ein Grund dafür sei eben auch der Klimawandel, so Diefenbach. Mit einem Windpark, so die Hoffnung, könnte man etwas für den Klimaschutz tun und auch die klammen Kassen füllen.
Die Gemeinde, das Energieunternehmen Süwag und eine Bürgergenossenschaft investierten gemeinsam in den Windpark. Das habe sich ausgezahlt: "Der Windpark bringt uns derzeit rund zehn Prozent unserer Einnahmen“, so Diefenbach. Die Rekordschulden, die auf der kleinen Gemeinde lasteten, konnten zu einem Großteil abgebaut werden. Heidenrod verdient durch den produzierten Strom, an der Pacht und Grundsteuer durch den Windpark und gibt dies an die Bürger weiter. Auch der Grundsteuerhebesatz sei deswegen niedrig.
Die Mitglieder der Bürgerenergiegenossenschaft verdienen zudem direkt an dem Windpark: "Wir zahlen im Moment acht Prozent Dividende", sagt Klaus Henrich. Er ist Vorstandsvorsitzender der Bürgerenergiegenossenschaft und freut sich, dass das Projekt ein finanzieller Erfolg wurde. Es gab auch bei den Bürgerinnen und Bürgern hohe Zustimmung. 88 Prozent stimmten vor Baubeginn bei einer Befragung für den Heidenrodender Windpark.

Rückendeckung durch Bevölkerung wichtig

Ohne den Rückhalt der Bevölkerung ist die Energiewende kaum zu stemmen. In Hessen beispielsweise werden rund 75 Prozent der Genehmigungsbescheide für Windenergieanlagen beklagt, schreibt das hessische Wirtschaftsministerium.
Bürgerbeteiligungen an Windparks sowie finanzielle Entlastungen könnten ein wichtiger Hebel sein, um mehr Akzeptanz zu schaffen, sagt auch Sven Linow, Professor für Umwelttechnik an der Hochschule Darmstadt und Vorsitzender des hessischen Klimabeirats. Menschen, die eigenes Geld investieren, hätten eine andere Verantwortung und Bindung an die Anlagen, sie "müssen sich darum kümmern, dass diese Windkraftanlage besonders gut läuft, nicht nur damit ich es schön warm habe und hell, sondern auch damit wir das Feuerwehrhaus erneuern können oder die Grundschule sanieren“. In Hessen kommt bereits mehr als die Hälfte des Stroms aus Erneuerbaren.

Stromhunger wächst

Deutschland produziert immer mehr grünen Strom. Laut Statistischen Bundesamt lagen die Erneuerbaren im Jahr 2024 bei der Bruttostromerzeugung bei rund 57 Prozent. Aber auch das muss dabei erwähnt werden: Deutschland importierte zuletzt mehr Strom aus dem Ausland, was unter anderem auf die Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken zurückzuführen ist.
Und der Stromhunger wird bis 2045, bis zum Zeitpunkt, an dem man bei netto Null Emissionen ankommen will, deutlich ansteigen. Um beim Beispiel Hessen zu bleiben: Das hessische Wirtschaftsministerium rechnet damit, dass der Strombedarf bis 2045 mindestens doppelt so hoch ist wie heute. Nicht nur mehr Elektroautos und Wärmepumpen sind dafür ein Grund, sondern auch Rechenzentren. Das Rhein-Main-Gebiet beherbergt rund dreiviertel aller Rechenzentren Deutschlands.

Reichen die ausgewiesenen Flächen?

Vor allem die energieintensiven Rechenzentren bräuchten viel und vor allem verlässlich fließenden Strom. Das hessische Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass Hessen diesen zusätzlichen Strombedarf aus eigener Kraft schaffen kann - wenn die Ausbauziele von Windkraft, Solar, Wasserkraft und Biomasse erreicht werden. Der Stromimport solle im Idealfall etwa gleich bleiben.
Professor Sven Linow von der Hochschule Darmstadt spricht von einer großen Kraftanstrengung, um die Energiewende hinzubekommen. Entweder müsse man den "Strombedarf deutlich runterschrauben“, dies sei aber schwierig und kaum durchsetzbar. Oder man müsse deutlich und schneller ausbauen: noch mehr Solarflächen in den Städten, Kombinationen von Landwirtschaft und Solarflächen beispielsweise. Aber auch mehr Trassen und Stromspeicher seien gefragt.

Beteiligungsmodell weckt Interesse

Das Umweltbundesamt hat in einer Studie im Jahr 2022 ermittelt, dass rund 15 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen durch Städte und Gemeinden eingespart werden können. Viele Gründe also, warum Beteiligungsmodelle für Bürgerinnen und Bürgern immer wichtiger werden könnten, um die Energiewende voranzutreiben. Im hessischen Heidenrod wollen mittlerweile viele in Erneuerbare investieren, weil sie "sehen, es klappt ja“, sagt der Genossenschaftler Klaus Henrich. Auch deswegen sei man schon auf der Suche nach neuen Investitionsmöglichkeiten im Bereich grüne Energie.

Комментарии (0)

Оставить комментарий